Preis fördert Verständnis des deutschen und niederländischen Rechts
Das niederländische Rechtssystem ist dem deutschen sehr ähnlich. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Um teure Fehler zu vermeiden, sollte man daher genau wissen, wo die Unterschiede liegen. Die Anwaltskanzlei Dijks Leijssen hat aus diesem Grund einen Preis für juristische Haus-, Bachelor- oder Masterarbeiten ausgeschrieben. Leitende Frage: Was muss man beachten, wenn man sich mit dem Recht der Nachbarn auseinandersetzt?
In der Grenzstadt Enschede ansässig, beschäftigt Dijks Leijssen sowohl niederländische als auch deutsche Anwälte und kennt sich daher gut in beiden Rechtssystemen aus. „Ein interessantes Thema ist zum Beispiel die Verjährung“, sagt Rechtsanwalt Joost Wery. „Wenn Sie in Deutschland ein Produkt bestellen, das einen nicht sofort erkennbaren Fehler aufweist, verjähren Ihre Ansprüche zwei Jahre nach Lieferung. In den Niederlanden dagegen läuft die zweijährige Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Sie hätten wissen können, dass mit dem Produkt etwas nicht in Ordnung ist.” Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied. „Als Anwalt muss man das wissen, um Klienten gut beraten zu können.”
Ein weiterer wichtiger Grund, beide Rechtssysteme zu kennen, ist, dass man in bestimmten Fällen, wie im Transportrecht, den Gerichtsstand wählen kann. „So können Sie prüfen, welches Rechtssystem für einen Fall am vorteilhaftesten ist“, erklärt Wery. „Außerdem können Sie als bilaterale Kanzlei dem Richter sowohl deutsche als auch niederländische Dokumente zur Verfügung stellen.“
Deutsche Sicherheit versus niederländische Flexibilität
Um die Unterschiede näher zu beleuchten, hat die Kanzlei 2019 erstmals einen Wettbewerb ausgeschrieben. Eingereicht werden können Haus-, Bachelor- oder Masterarbeiten, die beide Rechtssysteme anhand eines grenzüberschreitenden Themas vergleichen. „Wir tun dies aus gutem Grund“, sagt Wery, Initiator des Wettbewerbs. „Es hilft den Studierenden, sich in beide Rechtssysteme zu vertiefen, indem sie herausfinden, was im Nachbarland geschieht“.
Neben den rechtlichen Themen muss man bei grenzüberschreitenden Rechtsfällen auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen. „Die Erwartungshaltung der Deutschen ist ganz anders als die der Niederländer”, sagt Wery. Deutsche Klienten kommen seiner Erfahrung nach gut vorbereitet zu Vertragsgesprächen, wollen alle Punkte durchgehen und anschließend klar und deutlich auf Papier bringen. Außerdem erwarteten sie konkrete Prognosen über den Ausgang eines Gerichtsverfahrens. „Was angesichts aller zu berücksichtigenden Umstände eines Falles, die im niederländischen Recht eine größere Rolle spielen als im deutschen, manchmal schwer ist”, erklärt Wery. Niederländische Klienten dagegen wollten einen Vertrag meist einfach und offen halten, um im Laufe der Zeit noch Änderungen vornehmen zu können. Sie sind laut Wery anpassungsfähiger.
Austauschprogramme für Einblicke in ausländisches Recht
Es gibt also genug Gründe für den Wettbewerb. Acht Studierende – fast alle aus dem Zivilrecht – haben bei der Premiere eine Diplomarbeit eingereicht. Vier Frauen und vier Männer aus den Niederlanden. „Dank Austauschprogrammen wie Erasmus, das ich übrigens jedem empfehlen kann, hatten die meisten von ihnen bereits mit dem deutschen Recht Bekanntschaft gemacht“, sagt Wery. Für die nächste Ausgabe erhoffen sich die Anwälte von Dijks Leijssen auch Einreichungen von deutschen Studierenden.
Der Gewinner des Jahres 2019 war der Student Tim Hartman, der sich mit dem deutschen Rechtsanwalt Rudolf von Jhering und dessen Einfluss auf das niederländische Recht beschäftigte. Seine Masterarbeit, mit der er eine Brücke zwischen Theorie und Praxis schlägt, ist unter dem Titel „Een schitterend jurist“ („Ein brillianter Jurist“) im Celsus Verlag erschienen. Die mit dem zweiten und dritten Platz ausgezeichneten Arbeiten hatten Fusionen und Unternehmensaufteilungen bzw. den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zum Thema.
Über die Gewinner hat eine Jury entschieden, zu der auch Ulrike Tudyka, Arbeitsrechtsberaterin der Deutsch-Niederländischen Handelskammer, gehörte. „Die eingereichten Arbeiten decken ein breites Themenspektrum ab und zeigen, dass der Blick über die Grenze in jedem Fall bereichernd ist“, zieht sie Bilanz. „Gesellschaften stehen nämlich oft vor ähnlichen Herausforderungen, finden aber unterschiedliche rechtliche Lösungen. Von einem grenzüberschreitenden Wettbewerb kann man deshalb viel lernen“, so Tudyka.
Vom französischen zum deutschen Recht
„Das niederländische Recht basiert auf dem französischen. Eine interessante Entwicklung ist aber, dass wir inzwischen bei der Auslegung und Anwendung immer mehr zum deutschen Recht als Vorbild tendieren“, sagt Wery. Dieser Trend mache selbst vor der niederländische Vorliebe für individuelle Lösungen nicht Halt. „Natürlich ist jeder Fall einzigartig. Es ist aber effizient, Verantwortlichkeiten nach deutschen Vorbild klarer festzuschreiben, so dass man den wahrscheinlichen Ausgang eines Falles besser im Voraus abschätzen kann.“
Was die Auszeichnung dem Gewinner bringt? Auf jeden Fall tausend Euro, Aufmerksamkeit in den sozialen Medien und natürlich sieht ein solcher Preis gut aus auf dem Lebenslauf. Und wer weiß, vielleicht sind die Teilnehmer die zukünftigen Anwälte von Dijks Leijssen.