Wenn Skelette die Arbeit erleichtern
Audi, BMW, Daimler: Skelex hat in kürzester Zeit große Namen in Deutschland für sich gewonnen. Das niederländische Start-up entwickelt Exoskelette, die Menschen bei schweren Arbeiten entlasten. Für 2020 hat Gründer Gaurav Genani ein ehrgeiziges Ziel: Weltmarktführer werden.
Von Indien zum Studium an die Technische Universität Delft: ein großer Schritt. Gaurav Genani sprach kein Niederländisch, hatte kein Netzwerk, kein Kapital. „Trotzdem konnte ich ein Business aufbauen“, erzählt der 34-Jährige. Seine mechanischen Exoskelette für Industriearbeiter sind erst seit 2017 auf dem Markt, werden aber bereits in 15 Ländern eingesetzt.
Vor allem in Produktion, Montage, Installation und Wartung ist die Technik begehrt. „Hier müssen Menschen stets dieselbe Bewegung ausüben, oft mit den Armen über dem Kopf.“ Das ist ermüdend und die Dauerbelastung erhöht das Verletzungsrisiko. Beidem will das Rotterdamer Unternehmen entgegenwirken.
Zwei Kilo wiegt das „Skelex 360“, das den Armen Schwerelosigkeit verleiht und die Schultern entlastet. „Dadurch benötigt man nur noch die Hälfte der Muskelkraft“, erklärt Genani. Kern der Stützstruktur, die wie ein Rucksack getragen wird, ist die sogenannte Flex-Frame-Technologie. Sie speichert und gibt auf intelligente Weise Energie ab, um die Schwerkraft zu kompensieren und leitet das Armgewicht auf die Hüfte um.
„Das Prinzip ist wie bei einem Kofferraumdeckel“, vergleicht der Ingenieur. „Durch die integrierten Federn müssen wir dessen Gewicht beim Öffnen kaum mehr selbst heben.“ Industriedienstleister Bilfinger erkannte das Potenzial: Gemeinsam wurde die Innovation mit Malern und Gerüstbauern getestet. „Unser Arm-Support war der erste in Europa“, sagt Genani. Inzwischen zählt neben Flugzeugbauer Airbus und der auf Schiffsbau spezialisierten Naval Group auch das niederländische Verteidigungsministerium zu den Kunden.
„Bislang sind wir jedes Jahr um 300 Prozent gewachsen“, freut sich der Gründer. Denn die Vollautomatisierung sei in vielen Bereichen noch Zukunftsmusik – und der Mensch unersetzlich. Deutschland sei dabei der interessanteste Markt und gleichzeitig der mit der stärksten Konkurrenz. Um die hinter sich zu lassen, forschen er und sein Team an weiteren Innovationen.
Der Markt ist da: Laut der International Federation of Robotics soll das globale Marktvolumen für Exoskelette bis 2026 auf rund 4,6 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen – trotz Digitalisierung.
Text: Ruth van Doornik
Foto: Skelex
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