Welches Gas sollen wir loswerden?
Die Niederlande wollen bis 2030 weg vom Erdgas. Aber kann das überhaupt so schnell funktionieren – und was sind die Alternativen? Ein Kommentar von Prof. David Smeulders von der TU Eindhoven.
Die Niederlande wollen ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 49 Prozent reduzieren. Eines der Ziele des Klimaabkommens ist es, davor bereits 200.000 Haushalte pro Jahr aus der Gasversorgung herauszunehmen. Damit darf Erdgas nicht mehr für Raumheizung, Kochen und Warmwasser verwendet werden. Aber was sind die Alternativen und werden sie etwas bringen? Professor David Smeulders von der Technischen Universität Eindhoven sieht Chancen und Herausforderungen für die Niederlande.
Wärmepumpen gelten derzeit als wichtigste Alternative zu Erdgas in privaten Haushalten. Dies sind einfach umgekehrte Klimaanlagen, die die Wärme von außen nach innen und nicht umgekehrt transportieren. Wenn es draußen kalt ist, steht wenig Wärme zur Verfügung und die Pumpen müssen schnell laufen, um ein Haus zu heizen; der Wirkungsgrad ist gering und der Stromverbrauch entsprechend hoch. Mit einer Verdoppelung des jährlichen Stromverbrauchs eines privaten Haushalts ist auf jeden Fall zu rechnen. Und es ist noch mehr zu berücksichtigen:
- Bis 2030 gibt es sicher nicht genug Ökostrom, ganz einfach, weil noch nicht genügend Solarmodule und Windturbinen installiert sind. So werden die CO2-Emissionen in den ersten Jahren sicherlich nicht sinken.
- Die Transportkapazität des Stromnetzes reicht nicht aus. Projekte mit vielen Solarmodulen sind bereits vom Netz ausgeschlossen und können daher den von ihnen erzeugten Strom nicht einspeisen. Die erforderliche Netzverstärkung dauert Jahre und ist mit hohen Kosten verbunden.
- Die Installation einer Wärmepumpe ohne adäquate Renovierung bedeutet eine erhebliche Einschränkung des Wohnkomforts, da eine Wärmepumpe in den meisten Fällen keine Temperaturen über 45 Grad Celsius liefern kann. Den Zahlen zufolge haben erst 3,2 der 7,7 Millionen Haushalte in den Niederlanden einen Energieausweis – davon weisen 73 Prozent die Energieeffizienzklasse C und schlechter aus.
- Ein weiteres großes Problem ist die hohe Geräuschentwicklung der Außengeräte der Wärmepumpen. Besonders im Winter, in Stadtteilen mit Reihenhäusern oder Galeriewohnungen, scheint dies keine attraktive Option zu sein.
Ein oft gehörtes Argument ist, dass wir so schnell wie möglich anfangen sollten. Schließlich dauert es Jahre, bis alle Häuser renoviert und vom Erdgas abgekoppelt sind, und die Umstellung von Erdgas auf Strom würde dann dem erwarteten Anstieg der Ökostromerzeugung entsprechen. Wir vergessen dabei, dass Strom nicht gespeichert werden kann. Jedes produzierte Elektron (der Ladungsträger) muss exakt zur Menge Strom umwandeln und speichern, aber bei weitem nicht genug. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, ist die Versorgungssicherheit sofort gefährdet.
Wir brauchen synthetisches Gas
Also brauchen wir Puffer. Und die einzigen Puffer von ausreichender Größe sind Substanzen, die aus Molekülen von Kohlenstoff und/oder Wasserstoff bestehen (z.B. synthetisches Erdgas oder Wasserstoffgas selbst). Nicht umsonst bestehen auch die Fettreserven eines Menschen aus solchen Molekülen, schließlich passt hier die meiste Energie pro Liter und pro Kilogramm rein. Und das Schöne ist, dass wir diese Moleküle auch selbst aus Elektrizität herstellen können. Es ist also unvermeidlich, dass wir nach 2030 wieder auf Gas umschalten, aber in diesem Fall mit nachhaltigem Gas: synthetischem Gas, das aus Ökostrom hergestellt wird.
Es gibt einen riesigen Markt für Produkte, die Energie speichern können. Nicht nur in Form von Molekülen, sondern auch in Form von Wärme. Diese „Wärmebatterien“ werden für private Haushalte eher attraktiv sein, während die Gasspeicherung eher in größerem Umfang eingesetzt wird, wobei die bestehende niederländische Gasinfrastruktur ein enormer Vorteil ist. Dies geschieht nicht automatisch.
Universitäten müssen mit Unternehmen kooperieren
Große Kooperationen von Unternehmen und Universitäten können mit Unterstützung der Regierung schnell neue Technologien entwickeln. In Deutschland werden im Rahmen des Kopernikus-Programms. bereits Milliarden investiert. Die Niederlande als Gasland schlechthin sollten dabei nicht zurückbleiben. Die Frage „Welches Gas sollten wir loswerden“ ist daher leicht zu beantworten. Wir müssen in der Tat das CO2-Gas loswerden, aber nicht das Erdgas. Nicht jetzt, denn das wird die CO2-Emissionen nicht reduzieren, und nicht in Zukunft, denn dann wird sich Gas als unverzichtbarer grüner Puffer für unsere Energieversorgung erweisen.
David Smeulders ist Professor an der Technischen Universität Eindhoven (TU/e) und Lehrstuhlinhaber für Energietechnologie. Seine Forschungsinteressen umfassen Energiespeicherung, Transport in porösen Medien, Gasdynamik, Thermodynamik, Akustik und hydraulische Rissbildung.