Verkehr? Aber bitte klimaneutral!
Wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen, müssen wir umdenken. Vor allem bei der Mobilität. In Deutschland ist der Verkehr für ein Fünftel des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Und anders als in anderen Sektoren sind die Emissionen seit 1990 sogar noch leicht gestiegen. Eine neue Strategie, neue Technologien und ein neues Mobilitätsverständnis sind daher vonnöten, sagt Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Zentrales Element eines klimagerechten, nachhaltigen Verkehrs muss die Verringerung des motorisierten Individualverkehrs sowie die Stärkung intelligenter und integrierter Mobilitätslösungen sein. Dabei können eine Verkehrsvermeidung und Verlagerung auf Schiene, ÖPNV, Rad- sowie Fußverkehr die Emission von Treibhausgasen, den Energie- und Flächenverbrauch sowie Lärm und Unfallrisiken verringern.
E-Mobilität ist sinnvoll
Da durch die Energiewende und zur Erfüllung der Klimaziele die erneuerbaren Energien im Zentrum des künftigen Energiesystems stehen werden, ist eine direkte Elektrifizierung des Verkehrs technologisch und wirtschaftlich effizient. Die Einbindung von Batterien kann zur Stromspeicherung und Entlastung der dezentralen Netze beitragen. Der Güterverkehr kann ebenso mit elektrischen LKW oder direkt auf der Schiene stattfinden.
Power to Gas für den Fernverkehr
Für lange Distanzen bieten sich flüssige Treibstoffe aus erneuerbaren Energien an wie Power to Gas. Insbesondere für den Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr ist dies relevant. Der großflächige Einsatz von Power to Gas oder Wasserstoff für alle Verkehrsbereiche würde einen bis zu siebenfachen Mehr-Ausbau erneuerbarer Energien nach sich ziehen. Und es bedarf einer adäquaten Infrastruktur, die heute errichtet werden muss.
Die richtige Technologie fördern
Sinnvoll ist eine gezielte Technologieförderung. „Technologieoffenheit“ kann zu erheblichen Fehlentwicklungen führen, welche „sunk investments“ (verlorene Erstinvestitionen) nach sich ziehen. Auch mit Blick auf die zu schaffenden Infrastrukturen sollten diejenigen Technologien gefördert werden, die langfristig die Einhaltung der Klimaziele gewährleisten. Mehrere unterschiedliche Infrastrukturen aufzubauen, ist teuer und ineffizient.
Fahrzeuge? Wir haben eher Stehzeuge!
Die technologische Verkehrswende allein wird aber nicht ausreichen. Wir brauchen auch ein anderes Mobilitätsverständnis. Derzeit stehen 90 Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland 23 Stunden am Tag: Es sind keine Fahr- sondern Stehzeuge, die zudem eine Infrastruktur dreimal so groß wie das Saarland benötigen. Es geht also nicht darum, einfach den Motor von Millionen Benzin- und Dieselfahrzeugen auszutauschen und daraus Elektroautos zu machen.
Mobil ohne eigenes Fahrzeug
Individuelle Mobilität heißt schon jetzt häufig nicht mehr eigenes Fahrzeug. Intelligente Mobilitätsservices wie Car Sharing, Ride Hailing oder Fahrzeuge „on demand“ gewinnen stetig an Bedeutung. In der Zukunft werden alle mobil sein können, auch ohne eigenes Fahrzeug. Dies spart Platz und schont Umwelt und Klima.
Raus aus den fossilen Brennstoffen!
Wie lassen sich diese Ziele erreichen? Zunächst einmal sollten Deutschland und die Niederlande konsequent aus den fossilen Brennstoffen aussteigen und die Erneuerbaren deutlich schneller ausbauen. Eine Plakette zur Kennzeichnung aller Emissionen sollte eingeführt werden, zudem benötigen wir deutlich schärfere EU-Grenzwerte für Neuwagen. Die Erhöhung der Dieselsteuer ist genauso überfällig wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Es muss eine enge Verzahnung von Öffentlichem Personennahverkehr und Ride-Sharing-Konzepten, auch mit dem Fahrrad, geben.
E-Autos fördern, Batterieproduktion ausbauen
Der Markt für Elektroautos muss weiter ausgebaut werden. Norwegen macht vor, wie man den Anteil der Elektroautos in kürzester Zeit auf nahezu 50 Prozent erhöht – durch gezielte steuerliche und administrative Förderung. Dabei sollte eine Kaufprämie unbedingt von einer Elektrofahrzeugquote wie in den Niederlanden ergänzt werden.
Auch dass derzeit versucht wird, bei der Batteriefertigung umzusteuern, wird bei der Zielerreichung helfen. Da die Nachfrage nach Elektromobilität stark zunehmen wird, ist es durchaus sinnvoll, eigene Kapazitäten aufzubauen. Darüber hinaus muss sich Europa gegen das Rohstoffmonopol aus China durchsetzen und sich nicht zu abhängig von wenigen Lieferanten machen.
Rohstoffe nachhaltig gewinnen
Aber: Eine eigene Batterieproduktion zu unterstützen, ist nur dann sinnvoll, wenn dadurch eine faire und nachhaltige Rohstoffgewinnung ermöglicht und garantiert wird – verbunden mit dem Aufbau von Recyclingsystemen. Deutschland und die Niederlande sollten sich zwingend für hohe Umwelt- und Sozialstandards bei der Rohstoffgewinnung einsetzen. Darin liegt eine große Chance.
Die Märkte gehören nun einmal denen, die sie sehen. Und eine nachhaltige Mobilität bietet enorme wirtschaftliche Möglichkeiten. Es wird also Zeit, dass wir umsteuern. Jetzt.
Autorin: Claudia Kemfert, DIW Foto: Jens Jeske
Claudia Kemfert ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der privaten Universität Hertie School of Governance in Berlin. Seit 2004 leitet sie die Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Als Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen berät sie die deutsche Bundesregierung.
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