So werden Ihre Kinder Deutsch lieben
Mehr als 350.000 Deutsche leben in den Niederlanden. Viele davon wollen, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen. Aber wie bringt man den Nachwuchs dazu, fleißig Deutsch zu lernen? Vor allem, wenn das ganze Leben außerhalb der Familie auf Niederländisch stattfindet? DNHK-Mitglied Iris Rozwora weiß Rat.
Frau Rozwora, mit „Planet Wortschatz” haben Sie ein Online-Sprachtraining für deutschsprachige Kinder im Ausland entwickelt. Ihre sechsjährige Tochter hat Sie auf die Idee gebracht. Wie kam das?
Meine Tochter lebt mit mir und meinem französischen Mann in Frankreich und wir haben sie von Anfang an zweisprachig erzogen. Trotzdem sprach sie mit Kindern fast nur Französisch. Als ich sie nach dem Grund fragte, sagte sie ganz ernst „Mama, Deutsch ist doch keine Sprache für Kinder, das spricht man nur mit Erwachsenen!” Natürlich musste ich erst einmal schmunzeln, aber aus ihrer Sicht hatte sie Recht. Deutsch sprach sie damals nur mit mir, meiner Familie und meinen Freunden – alles Erwachsene. Es gab keinen Alltagskontakt mit deutschsprachigen Kindern. So kam mir die Idee, Kinder im Ausland untereinander zu vernetzen, so dass sie ihr Deutsch mit Gleichaltrigen trainieren können. Das ist interessanter und entlastet obendrein die Eltern.
Was bietet „Planet Wortschatz” denn genau?
In binationalen Familien ist es schwierig, Deutsch attraktiv zu gestalten. Insbesondere dann, wenn der deutschsprachige Elternteil durch den Job stark eingebunden ist. Mit „Planet Wortschatz” entsteht eine online community, mit der deutschsprachige Kinder gemeinsam spielerisch ihren Wortschatz weiter entwickeln. Für das neue „Schuljahr”, das im September beginnt, haben sich bereits Kinder aus Vietnam, Saudi-Arabien, USA, Kanada und Belgien angemeldet. Eine zusätzliche Motivation, Deutsch zu sprechen, denn die gemeinsame Sprache ist die einzige Verständigungsmöglichkeit untereinander.
Ihr Programm richtet sich an Kinder ab 6 Jahre und umfasst drei Trimester – was sind die Themen 2020?
Die Trimester bauen aufeinander auf. Am Anfang legen wir den Grundstock. Da sprechen wir über Geschichten: Märchen, Heldenerzählungen, Comics. Wir erkunden, was Geschichten ausmacht, warum wir sie erzählen und was eine Geschichte alles braucht. Und dabei entdecken wir auch, welche technischen Innovationen mit Geschichten verbunden sind – vom Buchdruck bis zur Braille-Schrift. Im zweiten Trimester geht es um den „Traum vom Fliegen” von Ikarus aus der griechischen Mythologie, über die Gebrüder Montgolfier und ihren Heißluftballon bis zur Raumfahrt. Und im dritten Trimester tauchen wir ab ins Meer, entdecken Neptun, Meerjungfrauen, Seeungeheuern und auch Piraten.
Sie verfolgen dabei einen interdisziplinären Ansatz. Wie sieht das konkret aus?
Nun, nehmen wir zum Beispiel die Piraten. Wissen Sie, warum die immer eine Augenklappe tragen?
Vermutlich, weil sie nur noch ein Auge haben?
(Lacht) Ja, das denken die meisten – Kinder wie Erwachsene. Der Wahrheit kommt man auf die Spur, wenn man überlegt, was eine Klappe mit dem Auge macht. Die Pupille vergrößert sich. Das Auge wird lichtempfindlich und man kann im Dunkeln besser sehen. Für die Piraten war das wichtig, wenn sie ein Schiff enterten. Sie kamen aus dem hellen Tageslicht ins dunkle Schiffsinnere. Hier schoben sie die Klappe aufs andere Auge, konnten so gut sehen und schneller die Beute von Bord schaffen. Kinder lieben diese Geschichte und lernen durch Storytelling ganz nebenbei viel über die Physiologie des menschlichen Auges.
Funktioniert bei Erwachsenen auch gut, merke ich. Ist das der Grund, warum Sie auch Kreativaufgaben stellen?
Genau, wenn wir zum Beispiel über Raumfahrt sprechen, basteln wir mit einfachen Mitteln eine Rakete zuhause. Dafür erstelle ich eine leichtverständliche Anleitung, mit der die Kinder dann spielerisch auch alles über Präpositionen wie „neben”, „unter”, „hinter” und „vor” lernen.
Die Kinder können also selbständig online lernen, treffen sich aber auch einmal pro Woche im virtuellen Klassenzimmer. Was genau passiert da?
Wir sprechen über das Thema der Woche, singen Lieder und festigen so neue Vokabeln. Ich habe thematisch passende Spiele vorbereitet oder wir lesen gemeinsam etwas. Das virtuelle Klassenzimmer findet für europäische Kinder immer donnerstags um 17 Uhr statt. Zwei, drei Tage vorher führe ich per Video fünf bis 25 Minuten lang in das Thema der Woche ein. So können die Kinder neue Worte in ihrem Tempo lernen. Manchmal gibt’s dazu auch kurze Arbeitsblätter, Wortsuchbilder oder ein Sudoku – kleine Aufgaben, mit denen das Kind sich selbständig beschäftigen kann.
Und was sind Ihre pädagogischen Prinzipien?
Ich setzte auf Wiederholung, positives Feedback und eine Abkehr von der Fehlerkultur. In der Schule wird zum Beispiel beim Diktat nur auf die Fehler geachtet. Das tue ich nicht. Ich hebe hervor, was gut gelaufen ist, also zum Beispiel: von 47 von 50 Wörtern richtig geschrieben. Das motiviert und schafft Vertrauen. Wenn die Kinder sich untereinander schon etwas besser kennen, können sie nach dem virtuellen Klassenzimmer noch eine halbe Stunde wie auf dem Schulhof miteinander chatten. Das schafft eine emotionale Verbundenheit und genau das ist mir wichtig.
Interview: Katrin Brodherr