Runde Sache
Aus Kaffeesatz hochwertige Lebensmittel produzieren? Ja, das geht. Das niederländische Unternehmen GRO lässt das Restprodukt bei Gastro-Betrieben abholen und züchtet darauf Austern-Seitlinge. Die daraus hergestellten Snacks gehen zurück an die Kunden. Kreislaufwirtschaft nennt sich das. Das Modell kommt an – und soll jetzt auch Deutschland erobern.
Text: Ruth van Doornik Foto: Gro
Rund vier Tonnen Kaffeesatz hat das Amsterdamer Scale-up im vergangenen Jahr pro Woche bei mehr als 500 Freizeitparks, Caterern oder Restaurant-Ketten in den Niederlanden eingesammelt – der ideale Nährboden für den fleischigen, herzhaften Austernpilz, den GRO nach der Ernte frisch ausliefert oder zu Burgern, „Krupi-Chips“, Carpaccio, Bitterballen und Kroketten verarbeitet.
Für die Zucht wird das braune Pulver mit Stroh vermengt und mit Pilzsporen besiedelt. Innerhalb von 21 Tagen wachsen auf einem Kilo Kaffeesatz rund 300 Gramm Seitlinge. Nach weiteren 21 Tagen steht die zweite Ernte an. „Was sonst im Abfall landet, wird bei uns zum Rohstoff für neue Nahrungsmittel“, sagt Wouter Muis, kaufmännischer Direktor bei GRO.
Die Idee stammt aus Simbabwe. Hier wurde im Kampf gegen die Hungersnot 2009 mit dem Anbau der Pilze auf den Abfällen von Kaffeeplantagen begonnen. GRO-Gründer Jan Willem Bosman Jansen, dessen Frau dort ein Kinderheim erichtet hat, war vom Konzept begeistert und brachte es in die Niederlande.
„Kreislaufwirtschaft muss überall Vorrang erhalten“
Was 2011 mit viel Idealismus begann, hat längst Fahrt aufgenommen: Vergangenes Jahr ist das Unternehmen um 200 Prozent gewachsen. Für 2020 sind die Ziele nicht minder ehrgeizig . „Nur indem wir Umsatz machen, können wir mit unserem Nachhaltigkeitskonzept auch etwas bewegen“, so van Muis. Denn das Social Enterprise will nicht nur die schädlichen Auswirkungen der Nahrungsmittelproduktion reduzieren, sondern auch andere inspirieren. „Unser Kreislaufmodell kann an viel mehr Stellen in die vorhandene Wirtschaft implementiert werden“, sagt Gründer Bosman Jansen. Schon jetzt stehen Recycling und die Wiederverwertung von Rohstoffen in den Niederlanden hoch auf der politischen Agenda. „Aber wir sind ein kleines Land. Kreislaufwirtschaft muss überall Vorrang erhalten“, betont Muis.
Neben der transparenten Produktionskette steht auch die Optimierung der Logistik- und Lieferkette im Fokus des Teams. „Idealerweise bringen wir die Pilze und Produkte und nehmen den Kaffeesatz gleich wieder mit“, so Muis. Für den Erfolg zähle aber vor allem eines: „Geschmack, Geschmack, Geschmack.“ Darum entwickeln Spitzenköche die Snacks mit. „Wir wollen niemanden zum Vegetarier machen, aber helfen, den Fleischkonsum zu reduzieren – ohne Genussverzicht.“
Jetzt werden Produkte für den deutschen Markt entwickelt
Die Vision des Unternehmens kommt an. Inzwischen sind die GRO-Waren in den Regalen der niederländischen Supermarktkette Jumbo zu finden. Kürzlich gab’s auch eine Aktionswoche in niederländischen Lidl-Filialen. Geliefert wird nach England, Belgien und künftig auch nach Deutschland. „Wir sind gerade dabei, Produkte speziell für den deutschen Markt zu entwickeln“, sagt Muis.
Auch eigene Gewächshäuser jenseits der Grenze seien denkbar. „Es ist ein großes Wort, aber es ist fünf vor zwölf, wollen wir die Erde retten. Wir müssen die richtigen Schritte machen – alle zusammen.“
Sie wollen mehr spannende Interviews, Kommentare, Reportagen und Porträts aus dem deutsch-niederländischen Geschäftsleben direkt in Ihren Briefkasten? Dann bestellen Sie unser zweisprachiges Wirtschaftsmagazin MARKT. Hier geht’s zum Abo.