Welche Folgen haben die COVID-19-Maßnahmen für Arbeitsverhältnisse in den Niederlanden?
Alles was deutsche Unternehmen, die im Nachbarland aktiv sind, wissen müssen: DNHK-Juristin Ulrike Tudyka erklärt es Punkt für Punkt – von Kurzarbeit über staatliche Hilfen bis zu Urlaubsansprüchen.
Frau Tudyka, zurzeit erreichen die DNHK viele Anfragen von Arbeitgebern wegen der niederländischen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Welche Frage interessiert die Arbeitgeber am Meisten?
Deutsche Unternehmen fragen sehr häufig nach der Möglichkeit, Kurzarbeit für ihre Arbeitskräfte in den Niederlanden einzuführen. Darauf muss man leider antworten, dass es diese Möglichkeit in den Niederlanden nicht mehr gibt. Die Kurzarbeiterregelung wurde am 17.03.2020 kurzerhand von dem niederländischen Staat abgeschafft, weil die hohe Anzahl der Anträge nicht mehr zu bewältigen war.
Welche anderen Möglichkeiten haben Arbeitgeber in den Niederlanden zurzeit, dem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten zu begegnen?
Die Möglichkeiten unterscheiden sich nicht wesentlich von den bisherigen Möglichkeiten. Zunächst sollte ein Arbeitgeber prüfen, ob er die Arbeitskraft sinnvoll anderweitig beschäftigen kann. Die Arbeitskraft wird dabei verpflichtet sein, auch andere zumutbaren Aufgaben als ihre üblichen Aufgaben zu erledigen. Falls eine sinnvolle Beschäftigung nicht möglich ist, kommt eine Freistellung der Arbeitskraft in Betracht. Eine einseitige Anrechnung von Urlaubsansprüchen auf die Freistellung ist dabei allerdings in der Regel nicht möglich.
Müssen Arbeitgeber die Vergütung fortzahlen, wenn sie ihre Arbeitskräfte nicht beschäftigen können?
Ja. Arbeitgeber tragen typischerweise das Beschäftigungsrisiko. Es gibt davon nur wenige Ausnahmen, zum Beispiel bei flexiblen Arbeitskräften. Eine weitere Ausnahme wäre eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der die Arbeitskraft keinen Vergütungsanspruch hat, wenn sie nicht beschäftigt werden kann. Eine solche Vereinbarung ist allerdings nur für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses zulässig.
Wenn Arbeitgeber die Vergütung ihrer Arbeitskräfte fortzahlen müssen, aber wegen der aktuellen Lage keine Umsätze erwirtschaften können, kann es schnell zu einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers kommen. Welche Hilfen stellt der niederländische Staat den Arbeitgebern zur Verfügung?
Geplant, aber leider noch nicht konkret umgesetzt, ist eine Leistung der niederländischen Arbeitsagentur (UWV). Diese Leistung wird im Rahmen der sogenannten Tijdelijke Noodmaatregel Overbrugging Werkgelegenheid (NOW) erbracht. Dabei handelt es sich um eine Notmaßnahme, die dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen soll. Aufgrund dieser Maßnahme soll die niederländische Arbeitsagentur Arbeitgebern auf Antrag bestimmte Personalkosten erstatten. Eine Antragstellung soll ab dem 6. April möglich sein. Übrigens: Auch Unternehmen, die nicht in den Niederlanden ansässig sind, aber dort Arbeitskräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigen, sollen den Lohnkostenzuschuss erhalten können.
Gibt es noch andere Leistungen des niederländischen Staats?
Ja, es sind zum Beispiel im beschränkten Umfang Leistungen für Einzelunternehmer vorgesehen. Auch soll es einmalige Leistungen für besonders hart getroffene Branchen, wie das Gaststättengewerbe, geben. Zudem sollen Erleichterungen für staatliche Bürgschaften und für die Inanspruchnahme von bestimmten Krediten geschaffen werden.
Zurückkommend auf die Erstattung von Personalkosten seitens der niederländischen Arbeitsagentur: Welche Voraussetzungen gelten dafür?
Arbeitgeber müssen sich zunächst verpflichten, von betriebsbedingten Kündigungen abzusehen. Weiter ist ein Umsatzrückgang von mindestens 20% seit dem 01.03.2020 nachzuweisen. Voraussetzung ist dagegen nicht, dass Arbeitskräfte tatsächlich weniger arbeiten; maßgeblich ist der Umsatzrückgang. Die Erstattungsleistung der niederländischen Arbeitsagentur beträgt höchstens 90% bei einem Umsatzrückgang von 100%.
Was können Unternehmen tun, die die Erstattungsleistung nicht beantragen können?
Diese Unternehmen haben zurzeit leider wenig Möglichkeiten. Schlimmstenfalls müssen die Arbeitsverhältnisse der Arbeitskräfte in den Niederlanden beendet werden. Dafür gelten allerdings keine Erleichterungen. Das bedeutet, dass das übliche Verwaltungsverfahren vor der niederländischen Arbeitsagentur absolviert werden muss, um die Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung zu erhalten.
Wo erhalten Unternehmen weitere Informationen?
Auf unserer Webseite www.dnhk.org veröffentlichen wir tagesaktuell Informationen zu den Maßnahmen, die der niederländische Staat zur Unterstützung von Unternehmen in dieser Zeit bietet. Außerdem gibt es die bereits erwähnte Beratungsstelle des niederländischen Handelsregisters, die auch auf Englisch Auskünfte unter der Telefonnummer +31 (0)800 2117 erteilt. Als Handelskammer bieten wir Arbeitgebern zudem einzelfallbezogene Rechtsberatung an.