Grenzüberschreitende Krisenkommunikation – der Teufel steckt im Detail
Krisenkommunikation erfordert Fingerspitzengefühl. Wenn ein internationales Unternehmen die Berichterstattung in allen Ländern einfach nur in die jeweils andere Sprache übersetzt und verbreitet, kann sich die Krise verschärfen. Selbst bei sich sehr ähnlichen Nachbarländern steckt der Teufel in den kulturellen Details. In diesem Artikel erklärt Anne Nicolaides, PR-Beraterin für den deutschen Markt beim DNHK-Mitglied Wisse Kommunikatie, auf welche Nuancen Unternehmen achten müssen, um mit ihrer Krisenkommunikation in Deutschland und den Niederlanden den richtigen Ton zu treffen.
Niederländer treffen Entscheidungen gemeinsam
In den Niederlanden wird in der Regel schneller reagiert als in Deutschland – und Entscheidungen können später auch wieder rückgängig gemacht werden. Dies liegt an der Beratschlagungskultur in unserem Nachbarland. Hier wird großen Wert auf eine im Konsens getroffene Entscheidung gelegt. Hierarchische Beziehungen sind weniger wichtig und eine Entscheidung wird gemeinsam getroffen. Dies ist auch beim Vorgehen in der Corona-Pandemie deutlich sichtbar: Zunächst wurden die Schulen nicht geschlossen, da die Spezialisten keinen Grund dafür sahen. Aber weil das niederländische Volk damit nicht einverstanden war, wurden die Maßnahmen später doch noch verschärft und die Schulen geschlossen.
In Deutschland zählen die Fakten
In Deutschland ist die Kommunikation funktionell, pragmatisch und effizient. Nur die Fakten zählen. In den Niederlanden hingegen haben Emotionen Vorrang und direkte Aufträge werden als freundliche Frage formuliert. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf Ihre Krisenkommunikation: Als niederländisches Unternehmen in Deutschland müssen Sie Ihre indirekte Wortwahl durch die klare Kommunikation der Fakten ersetzen. Als deutsches Unternehmen in den Niederlanden hingegen muss man die Emotionen berücksichtigen und sich etwas verständnisvoller zeigen als es in Deutschland üblich wäre. Um die Niederländer nicht zu beleidigen, ist es besser, direkte Befehle als gut gemeinte Ratschläge zu verpacken.
In Deutschland kann es vorkommen, dass eine Maßnahme akzeptiert und danach ausgiebig gemeckert wird. In den Niederlanden hingegen wird alles kritisch diskutiert, bevor überhaupt etwas akzeptiert werden kann. Darüber hinaus denken die Niederländer in der Regel eher in Chancen, während die Deutschen eher in Risiken denken. „Wenn alles vorbei ist, wie geht es dann weiter?“ versus „Wie komme ich mit den geringsten Blessuren hier raus?“ Nehmen Sie dieses Wissen mit, um Ihre Krisenkommunikation zu optimieren.
Fachwissen und Status oder Empathie und Sympathie?
In Deutschland spielt Hierarchie oft noch eine wichtige Rolle. Der Status einer Person wird durch deren Position und Fachkompetenz bestimmt. Deshalb ist es beispielsweise bei Verhandlungen mit deutschen Geschäftspartnern wichtig, immer einen Manager oder Direktor dabei zu haben. Sollte nur ein Berater erscheinen, wirkt das auf einen Deutschen, als würde die Angelegenheit von der anderen Partei nicht ernst genommen. In einer Krise ist es dasselbe: Lassen Sie am besten Führungskräfte und Experten kommunizieren.
Dies ist auch in der aktuellen Situation zu beobachten. Viele deutsche Virologen und andere Experten haben mit ihren Aussagen zu Corona in kürzester Zeit den Promistatus erreicht, weil die Deutschen ihrer Expertise vertrauen. In den Niederlanden sind Führungsqualitäten wie zwischenmenschliches Kommunikationstalent und emotionale Intelligenz viel wichtiger. Zu sehen ist das an folgendem Beispiel: Der niederländische Premierminister Rutte gibt offen zu, dass er kein Experte ist, sondern alles in Absprache mit der OMT (Outbreak Management Team) entscheidet. Für Ihre Krisenkommunikation in den Niederlanden bedeutet dies: Lassen Sie jemanden mit Charisma sprechen, der die Entscheidungsprozesse transparent darstellt. In Deutschland ist es ratsam einen Experten mit Fachwissen ans Wort zu lassen, der die Fakten glaubwürdig schildern kann.
Überall gleich: Vorbereitung ist das halbe Leben
Neben all den nuancierten Unterschieden gibt es natürlich allgemeine globale Regeln für eine klare Kommunikation während einer Krise. Überall gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Jedes Unternehmen muss über einen Plan verfügen, um in einer Krisensituation schnell und koordiniert reagieren zu können. In einem Krisenplan sein unter anderem folgende Aspekte definiert: Die Personen des Krisenteam und deren Verantwortlichkeiten, Protokolle, Prozesse mit (einer Reihenfolge von) Maßnahmen sowie eine Kommunikationsstrategie, unterteilt in verschiedene Szenarien.
Ein guter Krisenplan muss praktikabel sein. Wenn Sie unter Druck stehen, macht ein überfüllter 80-Seiten-Plan keinen Sinn. Machen Sie Ihren Krisenplan daher so kurz und konkret wie möglich, aktualisieren Sie ihn regelmäßig und üben Sie dessen Ausführung. Ein guter Krisenplan ist ein Nachschlagewerk während der Vorbereitung und ein Leitfaden während einer Krise, der Sie durch die Krise führt.
Foto: Wisse Kommunikatie