Energiewende? Jetzt gemeinsam handeln!
„Es wird Zeit für einen konkreten Handlungsplan – einen mit Fokus und Budget!” Das fordert Hans Winters, CEO Siemens Nederland, wenn es um Klimaschutz geht. Die niederländische Tochter des deutschen Elektrotechnik-Konzerns ist seit 70 Jahren Mitglied der DNHK. Seit Winters im April 2018 das Steuer übernahm, konzentriert sich das Unternehmen stets mehr auf Lösungen für die Energiewende. Wir sprechen mit dem studierten Wirtschaftsprüfer über seine Vision für die Energieversorgung der Zukunft.
Hans Winters, Klimaschutz macht nicht an der Grenze halt. Sie raten deshalb zum Beispiel den Niederlanden, das Thema internationaler anzugehen. Wie soll das aussehen?
Zunächst einmal begrüße ich, dass die niederländische und die deutsche Regierung über das Thema zusammen sprechen. Das betont den Gedanken, dass die Energiewende kein nationales Thema ist. So fordert zum Beispiel die Elektrifizierung – ein wichtiger Bestandteil der Energiewende – neue Produktions-, Prozess- und Mobilitätssysteme. Da kommen wir gar nicht daran vorbei, grenzüberschreitend zu arbeiten.
Können Sie das konkretisieren?
Beispiel E-Mobilität. Hier ist Deutschland ist technisch versiert, während die Niederlande stark sind, was die Akzeptanz der Elektromobilität angeht. Beide Länder können durch eine intensivere Zusammenarbeit Synergien schaffen. Es ist inspirierend zu sehen, dass das auf Provinz- und Gemeindeebene schon seit einiger Zeit geschieht, vor allem entlang der deutsch-niederländischen Grenze. Deutsche Spitzenforschung wird dabei mit niederländischer Kreativität und freiem Denken kombiniert. Erfolgreiche grenzüberschreitende Pilotprojekte im Bereich nachhaltige Energieversorgung und E-Mobilität sind zum Beispiel Sensor City, Energy Valley und Energy without Borders – oft mit dezentralem Ansatz.
Die dritten deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen im Oktober 2019 hatten den Schwerpunkt Klimaschutz. Was halten Sie vom Ergebnis?
Es ist in erster Linie eine Absichtserklärung. Ich bin gespannt, was in der Praxis in den verschiedenen Bereichen geschehen wird. Die nächsten Schritte müssen konkreter werden. Es wird von einer Zusammenarbeit im Bereich der Offshore-Windenergie, der Rolle von Wasserstoff und der CO2-Emissionen gesprochen. Jetzt müssen wir zusammen konkreter machen, was genau wir in diesen Bereichen gemeinsam tun wollen.
Sie selbst haben zwölf Jahre in Deutschland gelebt, kennen also beide Länder gut. Was können wir bei der Energiewende voneinander lernen?
Deutsche sind vor allem bekannt für ihre Zielgerichtetheit, Tatkraft und Umsetzungsfähigkeit; Niederländer für ihre Schnelligkeit, Kreativität und die Fähigkeit, eine breite Basis zu schaffen. Die Kombination dieser Eigenschaften wird zweifellos zu großartigen Ergebnissen führen!
Nicht in Silos denken, sondern in Systemen – das ist ebenfalls ein Standpunkt von Ihnen. Können Sie uns das genauer erklären?
Anstatt die Energiewende aus einzelnen Silos anzugehen, ist die Verbindung zwischen verschiedenen Sektoren notwendig, das heißt die Sektor-Kopplung. Um beispielsweise die Industrie elektrifizieren zu können, benötigt man mehr Energie, als nach den aktuellen Plänen aus Wind und Sonne gewonnen werden kann. Wenn Sie der Industrie in Zukunft grünen Wasserstoff liefern wollen, wird die Nachfrage nach erneuerbarer Energie ebenfalls weiter steigen. Das erfordert eine engere technologische Zusammenarbeit von Beteiligten aus allen Bereichen. Und dass wir die gewählten Lösungswege detailliert miteinander ausarbeiten und planen.
Wo genau sehen Sie praktische Anknüpfungspunkte für ein gemeinsames deutsch-niederländisches Vorgehen beim Klimaschutz?
Bei der Elektromobilität und der praktischen Anwendung von Wasserstoff. Aber auch wenn es um Dinge wie das Heizen von Häusern geht. Denken Sie zum Beispiel an die Einführung von Wärmepumpen in den Niederlanden und vergleichen Sie das mit der in Deutschland weit verbreiteten Verwendung von Heizöl.
An welchen Lösungen für die Energiewende arbeitet denn Siemens gerade?
Wir prüfen verschiedene Lösungen für die Niederlande. Windkraftanlagen sind dabei sehr wichtig. In den Niederlanden werden zurzeit in rascher Folge große Windparks, insbesondere im Offshore-Bereich, gebaut. Ein wichtiger nächster Schritt ist der Anschluss dieser Windparks an das Netz. Siemens leistet dazu mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, kurz: HGÜ, einen wesentlichen Beitrag. Weitere zu berücksichtigende Lösungen sind die Elektrolyse von Wasserstoff und die Verbesserung der Energieeffizienz von Netzen. Von der Erzeugung und Lagerung über den Transport bis hin zur Verteilung. Denken Sie auch an Entwicklungen wie Landstrom oder intelligente Ladestationen. Siemens ist an all diesen Lösungen eng beteiligt.
Als Weltkonzern kann Siemens natürlich dazu beitragen, dass die Energiewende international angegangen wird. Was tut das Unternehmen im Einzelnen dafür?
Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass sich nicht jeder Kontinent im gleichen Entwicklungsstadium befindet, wenn es um die Energiewende geht. Rund eine Milliarde Menschen haben überhaupt keinen Zugang zu Strom. In einigen Ländern wurde die Infrastruktur durch große Gewaltkonflikte zerstört, während andere Länder eine Produktionswirtschaft aufbauen, die eine stabile und leistungsstarke Energieerzeugung erfordert, wie beispielsweise große Gaskraftwerke. In unserem Land hingegen sehen wir einen schrittweisen Übergang vom Kraftwerk zu einer dezentralen Energieversorgung. Deshalb betone ich den Punkt, dass Länder im gleichen Entwicklungsstadium mehr Zusammenarbeit anstreben sollten. Siemens ist durch seine Aktivitäten in mehr als 190 Ländern bestens aufgestellt, um dies zu unterstützen.
Und was kann die Politik tun? Wofür sollten Deutschland und die Niederlande sich innerhalb der EU gemeinsam stark machen?
Wir müssen in Europa dafür sorgen, dass es gleiche Wettbewerbsbedingungen gibt, zum Beispiel wenn es um die CO2-Besteuerung geht. Wir müssen uns auch mit der Gesetzgebung befassen: Wir brauchen Raum für gemeinsame Pilotprojekte – geschützte Testumgebungen -, um den Initiativen anderer Machtblöcke in der Welt etwas entgegenzusetzen. Die Wirtschaft hat auch einen großen Bedarf an Investmentfonds, die einen längeren Zeithorizont als eine durchschnittliche Regierungszeit haben. Konstante Politik ist hier das Schlüsselwort.
Die Energiebranche bietet viele Marktchancen für deutsche und niederländische Unternehmen. Die DNHK stellt nicht nur Marktinformationen zusammen, sondern fördert mit Veranstaltungen und Unternehmerreisen auch den binationalen Austausch. Mehr Informationen finden Sie auf unserer Webseite.