Eine Frau verändert die Welt
„Einen Mann als Kanzlerin? Kann ich mir nicht vorstellen.“ So lautet ihr bekanntestes Bonmot. Tijen Onaran ist eine wortgewandte Vorkämpferin für mehr Vielfalt in der Wirtschaft. Als Unternehmerin, Investorin und Autorin will sie Frauen zu mehr Sichtbarkeit und Erfolg in Firmen verhelfen – ohne dass sie sich verbiegen müssen. Streamingdienst Amazon war dies schon eine Doku wert. Titel: „Yes she can“.
Als Kind wollte die Tochter türkischer Eltern Polizistin werden. „Die Welt etwas besser machen, das fand ich faszinierend“, so Onaran. Dem Credo ist die gebürtige Karlsruherin treu geblieben – wenn auch in einer anderen Rolle. Mit ihrem Unternehmen Global Digital Women berät sie Firmen rund um das Thema Diversität und vernetzt digitalaffine Frauen. Grenzüberschreitend. 50.000 sind es inzwischen. In 20 Ländern, auch in den Niederlanden.
Gleichberechtigung als Schlüssel zum Erfolg
Was 2015 als Stammtisch in Onarans Wahlheimat Berlin begann, ist damit längst ausgereift zu einer grenzübergreifenden Bewegung. Und die Chefin? Leitet ein 16-köpfiges Team und teilt sich die Geschäftsführung mit ihrem Mann Marco. „Er ist Innenminister und ich bin Außenministerin“, erklärt die 36-Jährige die Arbeitsteilung und verweist darauf, dass sich das Gründerpaar talentmäßig gut ergänze. „Ich bin froh über seine Geduld und er ist froh über meine Dynamik.“
Gemeinsam setzen sich beide dafür ein, dass Unternehmen Geschlechter-Vielfalt anders begreifen: nicht als Wohltätigkeit, sondern als gelebte Normalität. „Mein Ziel ist die Geschlechter-Parität auf allen Managementebenen“, so die studierte Politikwissenschaftlerin. Für die Firmen sei das vom Vorteil, betont Onaran – und die Unternehmensberater von McKinsey geben ihr Recht. In einer internationalen Studie fanden sie 2020 heraus, dass Gleichberechtigung die Chancen eines Unternehmens auf überdurchschnittliche Gewinne erhöht. Um satte 25 Prozent.
Niederlande sind Vorbild für Deutschland
Trotzdem geht es mit der Vielfalt nur langsam voran: In den Niederlanden betreibt laut einer aktuellen Erhebung nur jedes fünfte Unternehmen eine aktive Diversitätspolitik. In Deutschland ist es geschätzt jedes Vierte. Als Vorreiter gelten dabei laut German Diversity Monitor von 2020 neben Konsumgüterriese Henkel auch die DNHK-Mitglieder Allianz, BMW, Daimler und Telekom. Alle fünf haben bereits seit 2015 mindestens eine Frau im Vorstand. Reicht das?
„Nein, nicht pauschal“, sagt Tijen Onaran. „Frauen formal zu beteiligen, ist ein erster Schritt. Aber er nützt nichts, wenn die Unternehmenskultur sich nicht ändert und etwa wichtige Entscheidungen nach wie vor nur im ‚Boys Club‘ fallen.“ Deshalb sei Diversität Chefsache und müsse aktiv vorgelebt werden. Dazu gehöre auch, Beruf und Familie besser vereinbar zu machen – zum Beispiel mit Teilzeitarbeitsplätzen. „In den Niederlanden gibt es davon bereits so viele – und das für beide Geschlechter“, so Onaran. „Hier wünsche ich mir in Deutschland mehr niederländische Mentalität!“
Gute Geschäftsideen sind nicht vom Geschlecht abhängig
Zurzeit arbeitet die Unternehmerin an einem neuen Projekt: einem Risikokapitalfonds für Gründerinnen. Sie selbst hat bereits in von Frauen geführte Jungunternehmen investiert – zum Beispiel in den Babynahrungshersteller Pumkin Organics oder das Diversity-Software-Startup Witty Works – und bleibt auch hier ihrem Ziel treu: „Frauen wird gerne mal gesagt, sie sollten nicht in ‚weiblichen‘ Themen gründen“, so Onaran. „Ich möchte mit meinen Investments zeigen, dass eine gute Geschäftsidee nichts mit dem Geschlecht zu tun hat: ob weibliche Gesundheit oder Software – beide Startups können durch die Decke gehen!“
Text: Katrin Brodherr
Foto: Andrea Heinsohn/Tijen Onaran
Sie möchten mehr über Diversität in der deutsch-niederländischen Geschäftswelt erfahren? Dann lesen Sie unseren Artikel Die Wichtigkeit der Vielfalt