„Durch Covid-19 gehen wir wichtige Themen schneller an“
Schon als Kind war Ron van het Hof fasziniert von Entdeckern. Auch heute ist der Chef von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz immer auf der Suche nach unentdeckten Möglichkeiten – im Versicherungssektor, aber auch im Geschäftsleben allgemein. Ein Navigator für die Wirtschaft mit besonderem Blick für die Grenzregionen. Wir sprachen mit ihm über die Krise und seine Pläne als neuer Vorsitzender der Deutsch-Niederländischen Handelskammer.
Interview: Hendrike Oosterhof Fotos: Verse Beeldwaren
Herr van het Hof, Sie sind Niederländer und stehen jetzt schon fünf Jahre am Ruder von Euler Hermes Deutschland. Können die Deutschen Sie noch überraschen?
Immer zu Weihnachten. Ich bekomme dann persönliche Briefe, zum Teil sogar mit Familienfoto. Das bewegt mich jedes Mal. In den Niederlanden ist das oft ganz anders: Eine WhatsApp-Nachricht mit Neujahrswünschen ist das höchste der Gefühle. Die meisten Deutschen, die ich kenne, sind fürsorglich und aufmerksam. Und natürlich gründlich. Schön ist auch, dass sie meist viel Wert auf Werte und Normen legen. Das macht sie sehr authentisch. Wenn man das mit der niederländischen Kreativität und Leichtigkeit kombiniert, erhält man eine interessante Mischung.
Außer in Deutschland haben Sie auch längere Zeit in anderen Ländern gelebt. Wo fühlen Sie sich zuhause?
Zuhause ist, wo meine Familie ist – ganz gleich in welchem Land. Die meiste Zeit habe ich aber in den Niederlanden gelebt, so wie jetzt auch.
Eines Ihrer Vorbilder ist der Seefahrer und Entdecker Vasco da Gama. Was fasziniert Sie an ihm?
Ich bin fasziniert, wenn Menschen alle Sicherheiten aufgeben und zu noch unbekannten Ufern aufbrechen. Ich liebe es, Neues zu entdecken. Als ich in der Grundschule ein Referat über Vasco da Gama halten musste, war ich hin und weg von dem Entdecker in ihm: jemand, der neue Welten und Perspektiven aufzeigt, die davor wie unter einem Schleier verborgen lagen. Wenn wir schon alles wüssten, gäbe es nichts Spannendes mehr im Leben. Entdeckungen führen zu Chancen, die wir anfangs für unmöglich hielten. Immer auf der Suche bleiben nach Dingen, die noch niemand kennt – das hat mir sowohl beruflich, als auch privat viel gebracht. Und so sollten wir auch die deutsch-niederländische Zusammenarbeit betrachten. Wo sind die Möglichkeiten, die wir noch nicht sehen?
Gilt das auch für die jetzige Lage?
In Entdeckungen zu investieren, gibt Energie zum Weitermachen. So können wir aus jeder Krise herauskommen. Wir befinden uns jetzt in einer Situation, die noch niemand vor uns erlebt hat. Durch Covid-19 gehen wir wichtige Themen schneller an. Bei der Energiewende und beim Risikomanagement müssen wir zwar noch große Schritte machen, aber Politik und Unternehmen gehen nun aufeinander zu. In ‘normalen’ Zeiten sind diese Schritte oft viel schwieriger zu gehen. ‘Man muss das Heu machen, wenn die Sonne scheint’, sagen die Deutschen. Wir sind jetzt dazu gezwungen, das ist die positive Seite der Krise.
Die wirtschaftlichen Aussichten sehen allerdings nicht sehr positiv aus. Euler Hermes selbst warnt unter anderem vor einer drohenden Pleitewelle.
Natürlich befinden wir uns in einer schwierigen Phase. Vor allem die Gastronomie, Freizeitbranche, Hotellerie und das Verkehrswesen haben es schwer. Noch in diesem Quartal wird für viele die Stunde der Wahrheit schlagen. Global gesehen ist die Lage aber viel unsicherer. In vielen Ländern ist die Pleitewelle schon da, während hier bei uns die Bombe noch tickt. In Deutschland und den Niederlanden setzen Regierung und Wirtschaft erfreulicherweise alles daran, sie noch zu entschärfen.
Im April haben sich die deutschen Kreditversicherer mit der Bundesregierung auf einen Rettungsschirm von 30 Milliarden Euro geeinigt. Hat er schon Wirkung gezeigt?
Ja, die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Kreditversicherern ist sehr gut. Durch die schnell eingeführten Maßnahmen konnten Unternehmer das nötige Vertrauen gewinnen, um weiter zu machen. Unsere erste Einschätzung, dass die Krise drei- oder viermal so schlimm sein wird wie die Finanzkrise 2008, haben wir inzwischen korrigiert. Die Folgen werden die von 2008 zwar übertreffen, aber wir tun alles, um Unternehmen, die vor Corona gesund waren, zu helfen. Sie sind wichtig für die Zukunft.
Wann können wir mit einer wirtschaftlichen Erholung rechnen?
Sowohl Deutschland als auch die Niederlande haben einen relativ leichten Lockdown und ein umfangreiches Hilfspaket geschnürt. Die niederländische Konstruktion ist allerdings agiler als die deutsche und passt sich schneller an die jeweilige Situation an. Die Pleitephase wird die Niederlande deshalb schneller erreichen, dafür kommen sie aber auch früher wieder in ruhigeres Fahrwasser. In Deutschland wird das mehr Zeit brauchen, auch aufgrund der Wirtschaftsstruktur. Die Niederlande haben einen großen Dienstleistungssektor, besonders im Transport und der Logistikbranche sind die Einschläge jetzt zu spüren. Insgesamt erwarten wir für beide Länder ab 2022 wieder ein Wirtschaftswachstum
Welche Auswirkungen hat die Krise auf die deutsch-niederländische Zusammenarbeit?
Deutschland und die Niederlande ähneln einander. Beide Länder sind sparsam und konservativ, wenn es um den Staatshaushalt geht, dabei aber sehr wohl innovativ und bereit, in neue Technologien zu investieren. Themen, die beide Länder beschäftigen wie Wasserstoff, Wind- und Solarenergie sowie CO2-Neutralität, gewinnen jetzt an Dynamik und bieten viele Chancen für eine Zusammenarbeit. Beide Länder sind kapitalkräftig genug, um in diese Sektoren zu investieren und so eine Vorbildrolle einzunehmen. Das Tolle daran: Unsere Generation darf die Weichen für die Zukunft stellen. Es ist daher wichtig, diese Themen auf der Tagesordnung zu behalten, konkrete Schritte zu machen und sich gegenseitig zu unterstützen. Das ist auch das Großartige am DNHK-Netzwerk: Wir haben so viele Mitglieder, die füreinander von großer Bedeutung sein können. Als Kammer müssen wir die Parteien motivieren, miteinander in den Dialog zu gehen.
„Es liegen noch viele Chancen in einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Grenzregionen.“
Ron van het Hof
Sie sind seit November Präsident der DNHK. Warum liegen Ihnen die deutsch-niederländischen Beziehungen am Herzen?
Euler Hermes ist eine Tochter der Allianz, unsere Wurzeln liegen also in Deutschland. Die Niederlande waren aber seit jeher ein sehr wichtiger Markt – mit sehr vielen Gemeinsamkeiten und engen Verbindungen. Beide Länder entwickeln gemeinsam eine große Innovationskraft und ich möchte dabei gerne eine positive Rolle spielen.
Was meinen Sie damit genau?
Bei Euler Hermes achte ich auf Risiken, denn wer seine Schwachpunkte kennt, kann an ihnen arbeiten und seine Stärken ausspielen. Die eigenen Schwächen und Stärken zu kennen, hilft Unternehmen bei der Entscheidungsfindung. Unsere Rolle ist dabei die eines Navigators: Wir schauen, wie wir Unternehmen helfen können. Wie bei einem Navigationssystem zeigen wir ihnen verschiedene Routen zum Ziel. Sie wählen eine aus, wir bleiben an ihrer Seite. Sollten sie einmal falsch abbiegen, bringen wir sie zurück auf den richtigen Weg. Ungefähr so funktioniert eine Kreditversicherung: Wir führen Unternehmen zu ihren Zielen, möglichst schnell und sicher.
Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Präsidentschaft setzen?
Ich denke, dass viele Chancen in einer noch stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Grenzregionen liegen. Deutsche denken bei den Niederlanden vor allem an die Städte im Westen. Aber schauen wir doch mal auf Brainport Industries. Dieser Unternehmenscluster in Eindhoven, der ein Inbegriff für Innovation ist und einen Großteil des niederländischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, liegt viel näher an der deutschen Grenze als an der niederländischen Metropolregion Randstad. Ich sehe in den grenznahen Regionen auch große Gemeinsamkeiten in der Mentalität. Trotzdem gibt es dort noch relativ wenig grenzüberschreitenden Handel.
Woran liegt das?
Es kann an der Kultur oder Geschichte liegen. Aber wir können hier Brückenbauer sein und dabei helfen, die Chancen für Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze auszuloten. Das ist ein toller Schwerpunkt. Darüber hinaus müssen wir das fortführen und intensivieren, was wir als DNHK bereits erreicht haben: Inspirieren, entdecken und neugierig machen..
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