Digital werden – oder analog untergehen
Hinter diesem ironischen Titel verbirgt sich eine wichtige Wahrheit: Die digitale Transformation ist eine Unternehmensaufgabe. Für alle Branchen. Daniel Schallmo, Professor für Digitale Transformation und Entrepreneurship an der Hochschule Neu-Ulm, erklärt wie.
Unternehmen nutzen die Digitalisierung heute vielfach, um kundenorientierte Leistungen schneller und intelligenter anzubieten. Dabei eröffnet die Digitale Transformation neue Möglichkeiten der Vernetzung und Kooperation: Unterschiedliche Akteure können zum Beispiel Daten austauschen, gemeinsam Prozesse anstoßen und sich neue Geschäftsmodelle erschließen.
Bei der Digitalen Transformation von Geschäftsmodellen spielen technologische und personelle Potenziale eine wichtige Rolle. Produkte sind heute komplexe Systeme, die Hardware, Software und Datenspeicher verknüpfen können – Produkte sind also intelligenter und vernetzter als in der Vergangenheit.
Und nicht nur das: Auch Dienstleistungen, Prozesse, Wertschöpfungsnetzwerke und Kundenschnittstellen werden zunehmend digitaler.
Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie können Audiodaten in wertvolle Informationen umwandeln, wie dies bei der Musikerkennungssoftware „Shazam“ erfolgt. Das Prinzip, Audiodaten in Informationen umzuwandeln, wird auch bei KSB, einem Pumpenhersteller eingesetzt, indem mittels der App „KSB-Sonolyzer“ die Effizienz von Pumpen gemessen wird und bei Bedarf Wartungsprozesse angestoßen werden.
Das erfordert neue Geschäftsmodelle, bietet aber auch neue Chancen. Daneben sind auch veränderte Kundenanforderungen eine große Motivation für den Schritt zu einem digitalen Geschäftsmodell. Zu solchen veränderten Kundenanforderungen gehören zum Beispiel in dem Maschinen- und Anlagenbau die Bestellung kleinerer Mengen on-demand.
Digitale Transformation von Geschäftsmodellen
Die Digitale Transformation einzelner Elemente von Geschäftsmodellen spielt insbesondere in etablierten Branchen eine Rolle, die von einem wenig digitalisierten Geschäftsmodell zu einem digitalisierten wechseln. Denken Sie zum Beispiel an das Flight Management System von General Electric, bei dem mittels der Integration des Kernprodukts (Flugzeugtriebwerk) in ein System von Systemen (Anbindung an Wetterdaten, Flugoptimierungssystemen etc.) für Kunden ein echter Mehrwert entsteht, da Treibstoff und Flugzeiten eingespart werden, was eine Kostenersparnis zur Folge hat.
Entscheidend ist, dass wir dabei Enabler einsetzen, also Technologien wie Big Data, die neue Anwendungen und Leistungen erzeugen, zum Beispiel Bedarfsvorhersagen. Diese Enabler müssen die Gewinnung und den Austausch von Daten genauso ermöglichen wie deren Analyse und Nutzung zur Berechnung und Bewertung von Optionen. Denn diese dienen dazu, neue Prozesse innerhalb des Geschäftsmodells zu initiieren.
Roadmap zur Digitalen Transformation
Für die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen liegt eine Roadmap vor, die sich in der Praxis bei unterschiedlichen Unternehmen bewährt hat (siehe Grafik). Die Anpassung der Roadmap an unternehmensindividuelle Anforderungen ist empfehlenswert.
Phase 1: Digitale Realität
In dieser Phase wird das bestehende Geschäftsmodell eines Unternehmens skizziert, die Wertschöpfungskette mit den dazugehörigen Akteuren analysiert und die Kundenanforderungen erhoben. Somit liegt ein Verständnis zur digitalen Realität in unterschiedlichen Bereichen vor.
Phase 2: Digitale Ambition
Auf Basis der digitalen Realität werden die Ziele im Hinblick auf die Digitale Transformation festgelegt. Diese Ziele beziehen sich auf die Zeit, die Finanzen, den Raum und die Qualität. Anschließend werden die Ziele und Geschäftsmodell-Dimensionen priorisiert.
Phase 3: Digitale Potenziale
Innerhalb dieser Phase werden Best Practices und Enabler für die Digitale Transformation identifiziert, die als Ausgangspunkt für das Design des zukünftigen digitalen Geschäftsmodells dienen. Hierfür werden je Geschäftsmodell-Element unterschiedliche Optionen abgeleitet und logisch miteinander kombiniert.
Phase 4: Digitaler Fit
Anschließend werden Optionen bewertet. Hierbei spielen der Fit mit dem bestehenden Geschäftsmodell, die Erfüllung von Kundenanforderungen und das Erreichen der Ziele eine Rolle. Die Optionen können somit priorisiert werden.
Phase 5: Digitale Implementierung
Abschließend wird das digitale Geschäftsmodell finalisiert – also die Kombination an Optionen festgelegt, die weiterverfolgt werden soll – und implementiert. Dieser Prozess enthält ebenso das Gestalten der digitalen Kundenerfahrung und des digitalen Wertschöpfungsnetzwerks mit der Integration der Partner. Ferner werden Ressourcen und Fähigkeiten berücksichtigt, die zur Digitalen Implementierung notwendig sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Digitale Transformation uns noch viele Jahre beschäftigen wird. Es ist daher wichtig, zunächst, die Projekte, die jedes Unternehmen derzeit verfolgt, umzusetzen, danach neue Potenziale zu erkennen und diese zu heben. Kurz gesagt: Erst einmal die Hausaufgaben erledigen, bevor neue Projekte initiiert werden; besser gesagt: Digitalisierung – einfach – machen – mit Leidenschaft!
Vita:
Dr. Daniel Schallmo ist Ökonom, Unternehmensberater und Autor zahlreicher Publikationen. Er ist Professor für Digitale Transformation und Entrepreneurship an der Hochschule Neu-Ulm und dort Mitglied am Institut für Digitale Transformation. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte im Kontext der Digitalisierung sind: die Messung des Digitalen Reifegrads, die Entwicklung von Digitalstrategien, die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen und die Implementierung digitaler Initiativen.
Der digitale Wandel ist auch das Thema in der April-Ausgabe unseres Wirtschaftsmagazins MARKT. Jetzt schnell noch abonnieren.