Comeback der Pharma-Riesen
Nicht nur beim Börsengeschäft, auch bei Big Pharma profitieren unsere Nachbarn vom Brexit. Die Niederlande werden als Standort für Life Science und Biotechnologie immer beliebter. Große US-Marken wie Gilead, Merck oder Johnson & Johnson, aber auch die deutsche Wacker Chemie AG investieren kräftig.
Der Startschuss für das Comeback der Niederlande als Pharma-Standort fiel mit dem Umzug der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA): 2019 kam die EU-Behörde, die Medikamente beurteilt und ihre Sicherheit überwacht, von London nach Amsterdam. Seitdem sind die Niederlande wieder auf dem Standortradar der Branche. Viele neue biologische Medikamente werden inzwischen bei unseren direkten Nachbarn und nicht im fernen Indien oder China produziert. Und Corona beflügelte die Investitionsbereitschaft der großen Pharmaunternehmen zusätzlich.
Jannssen baut zweite Fabrik in Leiden
So investiert Merck gerade massiv in seine Tochter MSD, den größten niederländischen Branchenplayer. Unter anderem wird in Boxmeer ein riesiges Kühlhaus für die Abfüllung von Impfstoffen gebaut. Pharmaunternehmen Janssen, das zu Johnson & Johnson gehört, baut in der Universitätsstadt Leiden eine zweite Fabrik für die Produktion eines eigenen Corona-Serums. Und Wacker Biotech will in Amsterdam jährlich 100 Millionen Impfdosen des deutschen Biotech-Unternehmens Curevac herstellen.
Ein Auftrag, den die Tochter des Münchner Wacker-Konzerns übernehmen konnte, da sie 2020 die Produktion in der niederländischen Hauptstadt für 40 Millionen Euro modernisiert hat. „Dieses strategische Investment war ein wichtiger Schritt für unser weiteres Wachstum im stark expandierenden Markt für Biopharmazeutika“, resümiert Dr. Susanne Leonhartsberger, Leiterin der Life-Science-Sparte Biosolutions bei Wacker.
Noord-Brabant ist Pharma-Hotspot
Die Provinz Noord-Brabant, die sich entlang der belgischen Grenze und fast bis nach Deutschland erstreckt, ist der niederländische Pharma-Hotspot. Hier werden die Hälfte der insgesamt zehn Milliarden Euro Wertschöpfung der Branche erwirtschaftet. Laut einer aktuellen Studie der Brabantse Ontwikkelings Maatschappij (BOM), der Wirtschaftsförderung der Provinz, wächst vor allem die Biotechnologie rasant. Seit 2014 ist die Zahl der Niederlassungen um 43 Prozent gestiegen. Die Arbeitsplätze in der Branche haben sich sogar verdoppelt, auf nun mehr als 18.000. Das entspricht etwa 40 Prozent aller Pharma-Arbeitsplätze der Niederlande.
Was Brabant so attraktiv macht? BOM-Projektleiter Thijs Taminiau muss nicht lange überlegen: „Wir haben eine unglaublich dichte Präsenz von Forschung, Produktion und Logistik.“ Die Provinz bilde die gesamte Pharma-Wertschöpfungskette ab, zählt er auf. Mit dem Campus Pivot Park in Oss verfüge Brabant über einen Cluster von 60 biopharmazeutischen Forschungsunternehmen und weise außerdem eine Vielzahl akademischer Forschungseinrichtungen wie die TU Eindhoven vor. „Und mit unserem Modell der konstruktiven Zusammenarbeit bauen wir Partnerschaften schneller auf als anderswo. Beides zusammen ist geradezu eine Einladung an ausländische Unternehmen, Teil dieses Ökosystems zu werden.“
Text: Katrin Brodherr