Arbeitnehmerentsendung in die Niederlande: Das ist zu beachten!
Der Handel zwischen den Niederlanden boomt – und immer mehr deutsche Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter für Projekte, Aufträge oder den internationalen Erfahrungsaustauch über die Grenze. DNHK-Arbeitsrechtsexpertin Ulrike Tudyka erklärt, was Sie dabei beachten müssen.
Text: Ruth van Doornik
Frau Tudyka, was sollte auf der Checkliste von Unternehmen, die Arbeitnehmer in die Niederlande entsenden, ganz oben stehen?
Es gibt drei wesentliche Punkte, die sich um das Arbeitsrecht, das Sozialversicherungsrecht und die Lohnsteuer drehen.
Lassen Sie uns mit dem Arbeitsrecht starten.
Hier muss für die Zeit der Entsendung das niederländische Arbeitsrecht insbesondere mit Blick auf Vergütung, Arbeitszeit, Urlaub und Arbeitsschutz eingehalten werden. Falls es einen niederländischen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt, gelten insoweit dessen Bestimmungen.
Was bedeutet das für die Unternehmen?
Sie sollten sich erkundigen, ob sie in einen Bereich entsenden, der der niederländischen Tarifbindung unterliegt. Ist dies der Fall, muss man die Mindestarbeitsbedingungen des Tarifvertrags mit den für die Entsendung vereinbarten Bedingungen abgleichen.
Und was ändert sich während eines Auslandeinsatzes bei der Sozialversicherung?
Erstmal nichts. Die Arbeitskräfte bleiben in Deutschland sozialversichert. Es sollte aber eine sogenannte A1-Bescheinigung bei der Krankenversicherung des Mitarbeiters beantragt werden. Sie bestätigt die Anwendbarkeit deutschen Sozialversicherungsrechts. Bei einer längeren Entsendung – meist ab zwei Jahren – wechselt die Sozialversicherungspflicht jedoch in die Niederlande.
Lohnsteuerrechtlich ist die Lage komplizierter, richtig?
Allerdings. Grundlage ist hier das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Niederlande. Zunächst sollte geprüft werden, ob die Arbeitskraft auf und zu Lasten einer Betriebsstätte des Arbeitgebers in den Niederlanden beschäftigt oder an eine dortige Betriebsstätte überlassen wird. Falls ja, entsteht ab dem ersten Tag Lohnsteuerpflicht in den Niederlanden. Besondere Aufmerksamkeit sollte hier ‚fiktiven‘ Betriebsstätten gewidmet werden, wie zum Beispiel einer Baustelle, die länger als zwölf Monate dauert.
Und wenn dies nicht zutrifft?
Dann gilt die sogenannte 183-Tage-Regelung. Sie besagt, dass keine Lohnsteuerpflicht in den Niederlanden entsteht, wenn sich die entsandte Arbeitskraft dort innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums nicht mehr als 183 Tage aufhält.
Gibt es für Zeitarbeitsunternehmen weitere Besonderheiten?
In der Tat. Wenn Arbeitskräfte an einen in den Niederlanden ansässigen Kunden überlassen werden, muss sich der Verleiher im niederländischen Handelsregister bei der Kamer van Koophandel eintragen. Das geht mit der deutschen Anschrift.
Müssen Arbeiten bei den Handwerkskammern angezeigt werden?
Nein, es gibt in den Niederlanden keine Handwerkskammern. Allerdings gibt es auch in den Niederlanden Berufe und Arbeiten, die nur mit besonderer Ausbildung und Zulassung ausgeübt werden dürfen. Denken Sie dabei an Ärzte oder Rechtsanwälte oder Arbeiten, die mit einem besonderen Risiko einhergehen, wie die Entfernung von Asbest. Eine Übersicht findet sich auf der Webseite der Europäischen Kommission.
Was ist mit der Einhaltung bestimmter Meldepflichten?
Gutes Stichwort: Ab dem 01. März 2020 oder ganz genau gesagt für alle Einsätze, die ab dem 01. März 2020 beginnen, gilt eine Meldepflicht für alle vorübergehend entsandten Arbeitskräfte – und zum Teil sogar für Selbständige. Und zwar unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit die entsandten Arbeitskräfte haben. Die Meldung muss online über die Webseite Posted Worker erfolgen, die teilweise auch in deutscher Sprache verfügbar ist.
Ab wann kann man die Meldung vornehmen?
Meldungen sind ab dem 01. Februar 2020 möglich. Aber noch einmal: Gemeldet werden müssen nur Einsätze, die ab dem 01. März 2020 beginnen. Einsätze, die vor dem 01. März 2020 angefangen haben, müssen nicht nachgemeldet werden.
Was ist bei der Meldung noch zu beachten?
Das entsendende Unternehmen muss seinem in den Niederlanden ansässigen Auftraggeber eine Abschrift der Meldung zur Verfügung zu stellen. Der Auftraggeber muss die Abschrift prüfen. Entdeckt er etwaige Unrichtigkeiten, muss er sie der Aufsichtsbehörde vor Anfang der Tätigkeit mitteilen.
Welche Dokumente müssen die Arbeitskräfte mit sich führen?
Eine ganze Reihe – vom Arbeitsvertrag über Gehaltsabrechnungen bis hin zu Arbeitszeitnachweisen. Wir haben die komplette Liste auf unserer Homepage in einem Merkblatt zusammengefasst. Hier steht es zum Download bereit.
Drohen Kontrollen und Bußgelder?
Ja, Kontrollen betreffen allerdings in der Praxis in der Regel nur größere Baustellen sowie die Landwirtschaft. Die Bußgelder können zum Teil sehr hoch sein – insbesondere wenn arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen nicht eingehalten worden sind oder Drittstaatsangehörige unerlaubt beschäftigt worden sind.
An wen können sich Unternehmer bei Fragen wenden?
Die DNHK als Außenhandelskammer und Teil des Netzwerks des DIHK und der IHK ist in der Regel erste Anlaufstelle für Unternehmen. Soweit die DNHK die Unterstützung selbst nicht leisten kann, verfügt sie über ein Netzwerk von deutschsprachigen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen in den Niederlanden, die die Beratung übernehmen können.
Weitere Informationen, DNHK-Ansprechpartner und Merkblätter zum Thema zum Download finden Sie hier.